Vorbeugen – nimm’ Dich in den Fokus
Hippokrates hat gesagt: „Vorbeugen ist besser als heilen“. Und das aus jeglicher Sicht, denn Vorbeugen aus dem Yoga können tatsächlich präventiv wirken und vor typischen Beschwerden, wie Rückenschmerzen oder Verspannungen, schützen.
Vorbeugen sind häufig eher unbeliebt. Dabei gibt es so viele wundervolle Wirkungen!
Besonders viel bekommen Rücken und Bauch von Vorbeugen mit. So kannst Du zum Beispiel Deiner Lendenwirbelsäule mehr Raum schenken und so einem eventuellen Hohlkreuz entgegenwirken. Was auf der Rückseite gedehnt wird, wird auf der Vorderseite komprimiert – also Deine Bauchorgane. Sie bekommen eine wundervolle Massage, wodurch Dein Immunsystem gestärkt wird und Verdauungsprozesse sanft angeregt.
Werden Vorbeugen stehend geübt, ist der Kopf weit unten. Dadurch wird er stark durchblutet und kann Dir einen Energieschub schenken! Auch Erkältungen kannst Du so vorbeugen oder Dir etwas Raum im Kopf schaffen, wenn sie bereits da ist (das ist nicht für jeden so angenehm – übe sanft und achte auf Deinen Körper! Ist die Erkältung bereits da, braucht der Körper vor Allem auch viel Ruhe!)
Psychische und emotionale Wirkungen von Vorbeugen
Vorbeugen und Loslassen gehören untrennbar zusammen. In Vorbeugen haben wir die Möglichkeit, den Fokus auf uns selbst zu legen. Wie bei einer Umarmung sind wir uns selbst nahe. Sie fördern Geduld und die Akzeptanz sich selbst gegenüber. Gerade in stressigen Situationen lassen uns Vorbeugen zur Ruhe kommen und den Fokus von außen nach innen lenken. Wenn Du besonders darauf Acht gibst, kannst Du auch Deinem Schulter-Nackenbereich Entspannung und Ruhe schenken.
Was Du noch wissen solltest
Du bist Dein eigener Yogalehrer. Besonders Vorbeugen bedürfen Deiner Achtsamkeit. Solltest Du einen akuten Bandscheibenvorfall haben, lass Vorbeugen entweder ganz weg, oder sprich erst mit Deiner Yogalehrerin/Deinem Yogalehrer über mögliche Anpassungen der Übungen. So kannst Du dennoch sicher üben.
Auch bei Bluthochdruck solltest Du besonders achtsam üben. Lasse Deinen Kopf nicht allzu lang nach unten hängen oder übe alternative Übungen, sodass kein zusätzliches Blut unnötig in den Kopf gelangt und dort den Druck erhöht.
Andersherum sei bei niedrigem Blutdruck achtsam beim Lösen der Übung. Dein Kreislauf benötigt eventuell etwas länger, um schwindelfrei aus der Übung herauszugehen.
Vorsicht ist auch geboten bei akuten Bauchschmerzen, starken Schmerzen im unteren Rücken, Ischiasbeschwerden und einer Entzündung in der Hüfte.
Wunderbar kannst Du nach einer Vorbeuge eine Rückbeuge bzw. herzöffnende Übung üben. So kannst Du frei atmen und dem Brustkorb wieder mehr Platz schenken.
Meine vier liebsten Vorbeugen
1. Die klassische Vorbeuge (Paschimottanasana)
In der klassichen Vorbeuge wird die gesamte Körperrückseite gedehnt. Am Anfang einer Einheit ausgeführt, kann sie bei stärkeren Verspannungen sehr unangenehm sein. Daher übe diese Übung eher gegen Ende einer Yogastunde, damit Dein Körper schon aufgewärmt ist.
Wirkungen
- Bauchorgane werden entspannt
- Blase und Gebärmutter werden entlastet
- Die Rückseite des Oberkörpers wird als Atemraum erweitert
- Regt die Verdauung an (besonders angenehm bei z.B. Blähungen)
- Kann helfen besser zu schlafen, da das Nervensystem beruhigt wird
Die Vorbeuge richtig ausgeführt
- Setze Dich gerade auf Deine Yogamatte. Wenn es Dir sehr schwerfällt, mit ausgestreckten Beinen gerade zu sitzen, kannst Du Dich auch etwas erhöht auf eine Decke oder ein flaches Kissen setzen. Richte Deinen Oberkörper gerade auf und schenke ihm viel Länge. Du kannst mit Deinen Händen auch noch einmal das Sitzfleisch nach rechts und links ziehen, sodass Du noch sicherer auf Deinen Sitzhöckern sitzt.
- Mit Deiner nächsten Einatmung strecke beide Arme weit über die Seite nach oben, um Dir noch mehr Länge im Oberkörper zu schenken.
- Versuche diese Länge beizubehalten, wenn Du Dich mit der Ausatmung nach vorne lehnst. Nur so weit, dass der Oberkörper weiterhin gerade bleibt! Egal, wo Du landest – es ist ok und Deine ganz individuelle Version dieser Übung. Vergiss Bilder von Oberkörpern, die ganz bequem auf den Beinen liegen. Du bist Du und Dein Körper leistet Unglaubliches!
- Deine Arme dürfen locker hängen gelassen werden. Vielleicht legst Du Deine Hände neben die Beine, vielleicht auch darauf. Achte darauf, dass Deine Schultern locker bleiben und Dein Kopf in Verlängerung Deiner Wirbelsäule ausgerichtet ist.
- So kannst Du einige Atemzüge verbringen. Mit jeder Einatmung kannst Du Deinem Rücken noch einmal mehr Länge schenken (schiebe den unteren Rücken noch etwas weiter nach vorne, dafür die Schultern nach hinten/unten), mit jeder Ausatmung kommst Du noch etwas weiter in die Vorbeuge – auch, wenn es nur 1-2 mm sind.
- Als Auslgleich kannst Du Deine Hände hinter Deinem Körper aufstellen und einige tiefe Atemzüge in den Brustkorb nehmen – so schenkst Du ihm wieder mehr Raum.
2. Die Schildkröte (Kurmasana)
Hast Du auch direkt das Bild einer süßen Schildkröte vor Augen? Die Schildkröte steht für das Zurückziehen der Sinne, um den Geist zu regenerieren.
Wirkungen
- Die Rückseite des Oberkörpers wird als Atemraum erweitert.
- Regt die Verdauung an (besonders angenehm bei z.B. Blähungen).
- Kann helfen besser zu schlafen, da das Nervensystem beruhigt wird.
- Die Bauchorgane werden entspannt.
Die Schildkröte richtig ausgeführt
- Setze Dich aufrecht hin und bringe die Fußsohlen aneinander. Die Füße schiebst Du so weit von Dir weg, wie es angenehm ist. Dabei bleiben die Fußsohlen in Kontakt zueinander.
- Schenke Deinem Rücken mit einer tiefen Einatmung noch einmal mehr Länge und lasse Dich mit der Ausatmung nach vorne sinken. Deine Unterarme dürfen auf Deine Unterschenkel kommen.
- Deine Bauchdecke darf entspannen – Du kannst Dir vorstellen, dass alle Organe entpannt richtung Boden sinken wollen.
- Verweile hier einige Atemzüge, gern mit geschlossenen Augen.
- Schiebe Dich mit einer Einatmung mit den Händen wieder in die aufrechte Position und übe zum Ausgleich eine Übung, die den Herzraum öffnet.
Variationen
Sanft
- Du kannst auch ein Kissen oder Bolster zwischen Deine Beine legen, um Deinen Kopf darauf abzulegen.
Intensiv
- Wenn Du sehr weit nach vorne kommst, kannst Du Deine Arme auch unter den Beinen durchschieben und Deine Füße greifen.
3. Die stehende Vorbeuge (Uttanasana)
Uttanasana ist Teil der meisten Yogastunden. Allein deshalb schon, weil er im Sonnengruß vorkommt.
Der bekannte Yogi Jigar Gor sagte:
„Yoga is not about touching your toes. It is what you learn on the way down.”
Auch hier gilt also: erzwinge nichts, gib Deinem Körper die Zeit, die er sich für Entspannung nehmen möchte. Am Anfang kann es sein, dass die Vorbeuge noch keinen „Entspannungsfaktor“ für Dich beinhaltet. Mit etwas Übung wirst Du diese Asana lieben!
Wirkungen
- Dehnt die ganze Körperrückseite.
- Kann bei einer Nasennebenhöhlenentzündung angenehm sein
- Regt Leber und Niere an
- Fördert die Verdauung, kann bei Bauchschmerzen angenehm sein
- Eine Wohltat für Dein Nervensystem
- Reduziert Stress und führt zu innerer Ruhe
Die stehende Vorbeuge richtig ausgeführt
- Starte in Tadasana, der Berghaltung. Deine Füße stehen hüftweit und parallel.
- Strecke die Arme mit einer Einatmung weit nach Oben und schenke Dir so Länge.
- Beuge Dich mit der Ausatmung nach Vorne.
- Wenn Du noch nicht lange Yoga übst, kannst Du Deine Beine gern etwas gebeugt lassen.
- Lasse Kopf, Schultern und Arme locker hängen.
- Mit jeder Ausatmung sinkst Du tiefer in die Position hinein.
Variationen
Sanft (Halbe Vorbeuge)
- Halte Deinen Rücken ganz gerade und lege die Hände auf eine Erhöhung. So ist die Übung besonders rückenschonend.
Intensiv
- Umarme Deine Beine, sodass Du Dich noch weiter in die Übung bringen kannst.